Expeditionstagebuch Pik Lenin
16.7.-29.8.1997

Teil 2


26.7.97 Osch ­ Zwiebelwiese

Gegen 5.15 Uhr stehen wir auf und frühstücken. Unser Bus kommt zwar nicht wie versprochen um 6.00 Uhr, aber noch vor 7.00 Uhr fahren wir los ­ und bis zur nächsten Tankstelle. Dort beginnt ein langes Palaver mit dem Fahrer. Wir hatten einen neuen Preis von 3000 Som ausgehandelt, und 600 Som hatte er schon bekommen. Jetzt fehlte schon wieder Geld zum Tanken, und außerdem hatte sein Sohn Examen an der Uni ...
1200 Som waren wir schließlich bereit rauszurücken. Dann fahren wir mit einem zusätzlichen Fahrgast (seine Frau?) los. Kurz darauf halten wir noch mal bei einem Bekannten vom Alplager-Chef in einer Autowerkstatt. Danach geht es relativ zügig voran. Irgendwo müssen wir noch mal nachtanken, und der Fahrer will natürlich schon wieder Geld sehen. Die 140 Som gehen aber direkt an den Tankwart. Einen alten Tadshiken lassen wir noch mitfahren. Irgendwann fahren wir an einem liegengebliebenen Bus vorbei und nehmen noch einen Milizionär mit, der sich als Chef der Paßabteilung der Alairegion vorstellte. Natürlich hat er uns alle Dokumente unter die Nase gehalten. Insgesamt war es ein lustiger Vogel, der uns die Reise etwas kurzweiliger gestaltete. Der Anlaß seiner Reise war weniger lustig: Er war als UN-Flüchtlingskommissar unterwegs zur tadshikischen Grenze, um 100 tadshikische Flüchtlingsfamilien nach Bischkek zu begleiten.
Kurz vor dem ersten 3600-m-Paß gab es an einer Raststätte Mittag. Eine erste Kontrolle an einer Straßensperre geht problemlos vorbei, dann kommen wir schon im Alaital (Sary Tasch) an den russischen Militärposten. Probleme gibt es auch hier nicht, aber es dauert ein Weilchen, bis der Sergeant alle Namen und Paßnummern notiert und per Feldtelefon durchgegeben hat. In Sary Mogul steigt die Frau aus, und wir fahren weiter bis Kaschga-Su. Dort steigen der Milizionär und der alte Mann erst mal aus, da wir hier von der Alaital-Straße runterfahren, um in das etwas 30 km entfernte Basislager zu kommen. Dann geht es über schwierige Wege und Furten weiter. Der Pseudo-Allradbus (die vordere Kardanwelle fehlt immer noch) hält gut durch, und der Fahrer kannte die Strecke auch schon. Kurz vor 19.00 Uhr sind wir auf der Zwiebelwiese (3850 m).
Wir suchen einen Platz für unsere Zelte. Von Steffens Lagerplatz vom Vorjahr vertreiben uns irgendwelche russischen Lagerverwalter, obwohl wir noch einen guten Abstand zu deren Großlager (z.B. für Niederländer und Schweizer) hatten. Schließlich entscheiden wir uns für einen Platz etwas unterhalb. Außer uns und den Russen im Großlager sind noch Polen da. Wir bauen die Zelte auf, und Steffen + Yeti verschwinden gleich, da ihnen die Höhe den Abendbrotappetit verdorben hat.
Ich habe zwar Kopfschmerzen, esse aber mit Gerold (dem es am besten geht) noch was. Die Nacht wird wegen der Kopfschmerzen etwas unangenehm.

27.7.97 Zwiebelwiese ­ Atschik Tasch

Morgens sind es irgendwann 9 °  C im Zelt. Die Kopfschmerzen sind immer noch stark, nehmen aber während des Frühstücks (Brot mit Nutella) ab. Später gehen wir außer Yeti (Höhenprobleme, ruht sich aus) runter ins Hauptlager Atschik Tasch. Vorher war Gerold noch auf einen Felsabsatz oberhalb der Wiese gestiegen ­ größere Probleme mit der Höhe scheint er nicht zu haben.
Im Lager unten (etwa 170 m tiefer) ist wenig los ­ der große Ansturm kommt wohl noch. Später erfahren wir, daß sie dort wohl schon mal mehr Gäste hatten. Eine Nacht kostet hier 50 Dollar. Manche Expeditionen (z.B. Hauser) haben in der Nähe ein eigenes Zeltlager aufgebaut.
Steffen erfährt von Swetlana, der Frau vom Lagerchef, daß sie uns Hubschrauber zum Moskwin-Gletscher organisieren könnte, aber für 4000 Dollar (one way). Die Mi 8 kann 16 Leute und (oder?) 3 t Gepäck mitnehmen. Auf dem Rückweg läuft es bei Steffen nicht so besonders. Er hat wohl mehr als nur Höhenprobleme. Den Rest des Nachmittags verbringen wir mit Ausruhen. Dann gibt es Abendbrot: Suppe mit Kartoffeln und Gemüse (Paprika, Gurken, Möhren).
Das Wetter verschlechtert sich ein wenig: Es bewölkt sich und tröpfelt etwas. Am Abend kommen Jacek und sein Begleiter zu Fuß. Sie waren aus dem Alaital von der Straße rausgelaufen und haben dazu zwei Tage gebraucht. Zum Schluß konnten sie die großen Rucksäcke auf ein Pferd verladen, und ein Kirgise begleitete sie hoch. Abends kamen beide noch mal auf einen Schwatz vorbei. Vor dem Schlafengehen gab es noch kurz Aufregung: Yeti hat eine Maus im Zelt! Die Nacht war wieder unangenehm weil mit Kopfschmerzen.

28.7.97 Zwiebelwiese

Die Kopfschmerzen lassen wieder beim Frühstück nach. Als wir fertig waren, kommt Jacek, und wir kochen noch eine Runde Cappuchino (von Jacek). Yeti und ich machen einen kleinen Ausflug auf die Felsen oberhalb der Zwiebelwiese (wo Gerold gestern war). Wir fotografieren den Zeltplatz von oben und steigen noch auf dem Grat bis 3965 m. Es ist heute relativ stark bewölkt, aber noch niederschlagsfrei. Am Nachmittag sollte es tröpfeln und sogar etwas hageln (wenige, aber große Körner).
Wieder unten bauen wir unsere Sitzgruppe aus, indem wir den Steintisch vergrößern und eine zweite Kochstelle einrichten. Dann kommen einige Usbeken auf Pferden vorbei (Träger?). Wir unterhalten uns eine Weile, während der sie alles was rumlag begutachteten, und uns die Zelte und den Wodka abkaufen wollten. Steffen borgt sich ein Pferd aus und reitet eine Runde. Irgendwann gingen sie auch wieder ­ erstmal zu den Polen. Im Schlepptau hatten sie auch ein paar Kirgisenkinder, die sich auch für alles interessierten und auch Ursache für das verschwinden einiger Gegenstände sein sollen.
Zum Abendbrot gibt es Semmelknödel, russisches Büchsenfleisch (nicht so gut) und Gemüse. Wir gehen relativ früh schlafen. Leider werfen die Russen im Zeltlager wieder ihr Stromaggregat an. Die Nacht beginnt relativ angenehm, aber gegen 1 Uhr wache ich wieder mit Kopfschmerzen auf.

29.7.97 Zwiebelwiese ­ Atschik Tasch

Die Nacht habe ich wieder relativ schlecht verbracht. Da es vor allem Steffen immer schlechter geht, entschließen wir zwei uns, zunächst zum Lazarett im Lager abzusteigen ­ eventuell noch weiter ins Alaital, um uns dort einige Zeit auf geringerer Höhe zu akklimatisieren. Nach dem Frühstück packen wir zwei leichte Rucksäcke und gehen zusammen mit Yeti, der Steffens Rucksack trägt, runter ins "Alplager", wo wir mal bei der Lagerärztin vorbeischauen. Sie stellt bei Steffen eine Erkältung fest ­ zusammen mit der noch nicht abgeschlossener Akklimatisation. Da sich das Fieber hartnäckig zeigt, bekommt er eine Spritze und bleibt im Lazarett. Bei mir scheint außer einem leicht erhöhtem Blutdruck (an der oberen Grenze des normalen) nichts zu sein. Allerdings vermutet sie, daß er nachts bei Kopfschmerzen höher ist. Ich werde deshalb abends noch mal runterkommen ­ zur Beobachtung.
Zunächst lassen wir Steffen allein, und ich gehe mit Yeti wieder hoch zur Zwiebelwiese. Ich habe etwas Kopfschmerzen, aber nicht stark. Oben ruhen wir etwas aus und essen dann Abendbrot (Kartoffeln, Salami und Gemüse). Halb sieben gehe ich wie abgesprochen wieder runter ins Hauptlager. Steffen geht es ziemlich schlecht (Fieber bis 39 ° C). Mein Blutdruck scheint nicht die Ursache für die Kopfschmerzen zu sein ­ er bleibt konstant. Steffen wird nun auf Antibiotika gesetzt. Nachts bekomme ich meine üblichen Kopfschmerzen. Da im Vorraum Bewegung ist, gehe ich mal raus, und wir messen noch mal den Blutdruck. Der zeigt sich weiterhin absolut stabil. Ich bekomme als Schmerzmittel Analgin ­ Aspirin soll nicht helfen (tut es aber doch!). Immerhin kann ich mal bis zum Morgen durchschlafen.

30.7.97 Atschik Tasch ­ Zwiebelwiese

Steffen geht es immer noch ziemlich schlecht. Er hat Fieber und Kopfschmerzen. Ich mache mich dann wieder auf den Weg zur Zwiebelwiese, um meine Kopfschmerzen in Zukunft mit Aspirin zu bekämpfen. Es scheint wirklich nur die normalen Akklimatisationsprobleme zu sein. Die Flußüberquerung (Gletscherabfluß) am Lager war absolut harmlos ­ es ist aber auch noch früh am Tage. Gestern abend hatte ich mich fast reingelegt und mir nasse Füße und Hosen geholt.
Auf dem letzten Wegstück nimmt mich ein Jeep mit. Oben esse ich noch etwas Frühstück, dann ziehen Yeti und Gerold auf einen Spaziergang in Richtung Lager 1. Sie wollen einen Gletscher besichtigen. Gegen 15.00 Uhr sind sie zurück, und es gibt erst mal Mittag. Die morgendlichen Kopfschmerzen sind weg ­ vielleicht habe ich diesmal genügend getrunken. Danach gehen Gerold und ich Steffen besuchen. Es geht ihm ganz gut, allerdings kommt das Fieber in Schüben, so daß das noch nicht viel bedeuten könnte.
Wieder auf der Zwiebelwiese machen wir Abendbrot mit Nudeln und Schinken. Vorsichtshalber nehme ich eine Aspirin. Nachts um 1 Uhr wache ich wie üblich auf, habe aber das erste Mal keine Kopfschmerzen. Die Aspirin wirkt also doch! Erst gegen Morgen geht es wieder los.

31.7.97 Zwiebelwiese

Wie üblich nehmen die Kopfschmerzen beim Frühstück wieder ab. Die heutige Akklimatisationstour mache ich mit. Es soll zu dem Gletscher gehen, den Yeti und Gerold gestern erkundet haben. Wir kommen ganz gut hoch und machen einen kurzen Spaziergang auf dem Eis. Gerold hat das erste Mal Gelegenheit, seine Steigeisen auszuprobieren. Da wir noch nach Steffen schauen wollen, drehen wir bald wieder um. Heute sind wir bis 4375 m gekommen. Rückzu wird im Geröll noch eifrig nach Fossilien gesucht. Nach dem Mittagessen auf der Zwiebelwiese gehen Gerold und Yeti runter zu Steffen.
Gestern sind einige Schweizer vom Berg gekommen. Von 7 Mann waren 3 oben, und 2 sind mit Höhenlungenödem ausgeflogen worden (einer vom Lager 2, der andere von der Zwiebelwiese). Außerdem ist eine Gruppe von 9 Russen aus Moskau eingetroffen, von denen einer auch erst mal das Zelt hüten wird. Mit den Schweizern und den Russen haben wir vereinbart, daß sie auch mal nach unseren Zelten schauen, wenn wir nicht da sind.

1.8.97 Zwiebelwiese ­ Lager 1a ­ Zwiebelwiese

Gegen 7 Uhr stehen wir auf und frühstücken Müsli. Um 8 Uhr sind wir marschbereit, und es geht mit mittlerem Gepäck in Richtung Lager 1. Den Paß der Reisenden (4150 m) erreichen wir nach etwas 1,5 h. Hier dreht Gerold um, da er erhebliche Probleme mit seinen Schalenstiefeln hat (Scheuer- und Druckstellen).
Yeti und ich gehen weiter ­ nach dem Paß erst mal ein gutes Stück bergab. Nach einer Querung in einem Geröllhang steigen wir zu einem Gletscherabfluß runter und überqueren diesen (etwa bei 4000 m) relativ leicht. Hier machen wir zusammen mit ein paar Russen erst mal Pause. Noch ist das Flußwasser klar und trinkbar, und man ist mit 2-3 Schritten auf der anderen Seite. Dann geht es über Moränenschutt stetig aufwärts, wobei der Weg von Steinmännern markiert war.
Gegen 11.30 Uhr erreichen wir den Leningletscher. Wir legen im Gegensatz zu den Russen Steigeisen an. Später werden wir das auch lassen ­ es geht ganz gut ohne. Ansonsten kann man weiter die Skistöcke benutzen. Der Gletscher war aper ­ etwas heikel waren nur die größeren Schmelzwasserrinnen. Die Oberfläche des Gletschers war aber von der Sonne ziemlich zerfressen und nur mäßig gut begehbar.
Inzwischen hat Yeti stark mit dem Rucksackgewicht zu kämpfen. Wir verlassen den Gletscher etwas nach rechts zu einer Mittelmoräne und müssen noch etwas Geröll und einige Spalten überqueren. Zum Schluß zeigen Steinmänner und Müll die Nähe vom Lager an. 13.40 Uhr erreichen wir eine Ansammlung von Zelten und vermuten hier das erste Lager. Tatsächlich liegt das eigentliche Lager 1 (im weiteren Lager 1b) noch eine halbe Stunde weiter oben. Da das Wetter nicht gut aussieht, bauen wir hier (im Lager 1a, 4400 m) schnell Yetis Zelt auf und legen die mitgebrachten Lebensmittel (hauptsächlich Trockenfutter aus der Tüte) rein.
Auf dem Rückweg (Start 14.15 Uhr) fängt es leicht an zu schneien ­ das Wetter ist aber noch brauchbar. Die Moräne runter ging es schnell, und wir waren wieder am Fluß. Dieser war im Laufe des Tages angeschwollen. Da uns das Springen über die glitschigen Steine zu riskant erschien, ziehen wir unsere Schuhe aus und waten durch das nun knietiefe, braune Wasser. Der Gegenanstieg zum Paß der Reisenden ist ein mächtiger Schlauch, auch wenn es nur 150­200 Höhenmeter sind. Wir sind aber doch recht fix oben und auch schnell wieder unten, da es oben horizontal schneite.
Um 17.25 Uhr waren wir wieder auf der Zwiebelwiese. Etwas erstaunt betrachten wir die neue entstandenen Steinmauern vor unseren Zelten und Gerold fragte uns, was wir zwischen 15 Uhr und 17 Uhr gemacht hätten. Dann erzählte er, daß in der Zeit, wo bei Yeti und mir das Wetter zwar nicht gut, aber brauchbar war, auf der Zwiebelwiese ein kleines Unwetter getobt hatte ­ mit Staubsturm und Regen. Einige eingefallene Zelte im großen Zeltlager ließen die Erzählung glaubhaft erscheinen. In mein Zelt hatte der Sturm eine Menge Staub durch das Moskitonetz gedrückt. Abends regnete und schneite es leicht, so daß das Abendbrotessen überwiegend im Zelt stattfand.

2.8.97 Zwiebelwiese

Heute haben wir einen Ruhetag eingelegt. Das schöne Wetter am Vormittag haben wir fürs Wäschewaschen genutzt. Mittags fing es wieder an zu schneien, und wir mußten im Zelt Skat spielen und Mittag essen. Am Nachmittag, das Wetter war etwas besser geworden, kam Steffen hoch, wobei er seinen Rucksack einem Kirgisenpferd überlassen hatte. Wir waren also wieder komplett. Am Abend gab es wieder Regen und Schnee, so daß das Abendbrotessen bis auf das eigentliche Kochen im Zelt erfolgte.

3.8.97 Zwiebelwiese ­ Lager 1a

Wir stehen zu einer normalen Zeit auf (also gegen 8.00 Uhr, wenn die Sonne auf's Zelt scheint) und frühstücken. Da das Wetter nicht schlecht aussieht, packen wir (außer Steffen, der sich noch erholen muß) die Rucksäcke und ziehen in Richtung Lager 1 los. Gerold hat zwar wieder Probleme mit den Schuhen, hält aber durch.
Auf der Moräne wird das Wetter schlecht, und es schneit. Die Sicht auf dem Gletscher ist gerade noch brauchbar. Aufgrund der schweren Rucksäcke sind wir nicht besonders schnell. Wir treffen noch Jacek, der trotz des fortgeschrittenen Nachmittags noch Ausrüstung von einem Depot am Paß der Reisenden holen will. Als wir das Lager 1a um 17.40 Uhr erreichen, fängt es richtig an zu schneien, und der Schnee bleibt jetzt auch liegen. Wir bauen noch schnell Gerolds Zelt auf und stürzen rein.
Wir spielen Skat und hoffen auf eine Wetterbesserung. Da es weiterschneit und Yetis Kocher streikt, ist am Abend kalte Küche angesagt. Flüssiges Wasser gibt es im Lager zum Glück noch. Zwischendurch donnert es draußen auch mal. Der Schneefall pausiert mal kurz, aber nur um einem Graupelschauer Platz zu machen, der alles 5 cm hoch zudeckt. Ich vermisse meine Armbanduhr ­ sie muß mir draußen in Lagernähe vom Arm gerutscht sein und ist jetzt natürlich gut zugedeckt.
Außerhalb vom Zelt wird es langsam Winter. Es schneit weiter während wir schlafen gehen, und es schneit auch noch nachts um halb zwei. Im Zelt wird es ruhig ­ der Schnee auf der Außenhaut friert an und bildet so einen Panzer. Drinnen gibt es eine Menge Kondenswasser. Zum Glück ist der Mikrofaseraußenstoff der Schlafsäcke relativ dicht, und kalt ist es auch nicht.

4.8.97 Lager 1a ­ Zwiebelwiese

Als gegen 7.00 Uhr die Sonne hinter dem Berg hervorkommt, gehen wir raus. Es sind etwa 20 cm Schnee gefallen, und im Sonnenlicht sieht die Landschaft phantastisch aus. Yetis Kocher funktioniert wieder, und so gibt es Frühstück mit Tee und Müsli. Nur der Rückweg zur Zwiebelwiese macht uns noch ein paar Sorgen: Der Abschnitt vom Fluß zum Paß könnte sich bei Schnee oder Schlamm als heikel erweisen.
Der Gletscher hat zwar auch eine Schneeschicht, aber die Strukturen sind noch erkennbar. Jacek, der abends noch ins Lager zurückgekehrt war, meinte, der Weg wäre gangbar. Wir packen also unsere Sachen und ziehen los. Auf dem Gletscher folgen wir zuerst einer schwach erkennbaren Spur (von Jacek?); ansonsten sind wir offenbar die ersten an dem Tag.
Beim Übergang auf die Moräne treffen wir auf zwei Italiener, die eine Spur in Gegenrichtung gelegt hatten. Der Weg hoch zum Paß der Reisenden erwies sich als machbar, ist aber durch den Schneematsch und die Nässe anstrengender und unangenehmer geworden. Der verschneite Abstieg auf der Nordseite erfordert einige Aufmerksamkeit, ging aber auch gut. Nach insgesamt etwa 3,5 h sind wir wieder auf der Zwiebelwiese. Auch hier hat es geschneit ­ mit 30 cm sogar mehr als im Lager 1. Am Abend war der Schnee auf der Wiese aber so gut wie weg.
Steffen kommt wieder in Form ­ er hat heute eine Akklimatisationstour gemacht.

5.8.97 Zwiebelwiese

Vor dem endgültigen Aufstieg schieben wir heute noch einen Ruhetag ein. Der restliche Schnee taut bis auf ein paar Reste in schattigen Lagen weg. Am Nachmittag spielen wir mit einer alten Radkappe Frisbee, bis sich Gerold an der Fingerkuppe verletzt. Dann nehmen wir unsere chinesische Plastewaschschüssel...
Mit einem Niederländer (Jan) von nebenan, der mit einem Norweger unterwegs ist, vereinbaren wir, daß wir unsere Sachen, die wir unten lassen wollen, in einem Zelt von ihm einschließen können. Dieses wollen wir morgen unten im großen Zeltlager in der Nähe vom Atschik-Tasch-Hauptlager aufbauen. Er hatte mit den dort kampierenden Italienern eine entsprechende Abmachung.
Abends, nach der großen Gepäckaufteilung, versuchen wir noch in Atschik Tasch in die Sauna zu kommen. Das geht aber irgendwie nicht (besetzt oder nicht angeheizt). Wir vereinbaren in der Küche, daß sie für uns am nächsten Morgen zwei Fladenbrote mehr backen, dann ziehen wir in das Lager der Italiener, wo es auch eine Sauna oder wenigstens eine Dusche geben soll. Es ist aber schon ziemlich spät und auch dunkel, und so entschließen wir uns auf halbem Wege umzudrehen und auf die Zwiebelwiese zurückzukehren.
Auf dem Rückweg beobachten wir noch ein UFO am Nordhimmel, das sich langsam nach Osten bewegt und den Himmel zwischen ihm und dem Dämmerlicht der untergegangenen Sonne halbkreisförmig beleuchtete. Möglicherweise haben wir hierbei das startende Sojus TM26 beobachtet, das sich an diesem Tag zur Raumstation MIR aufgemacht hat. Der Kosmodrom Baikonur liegt etwa 1000 km entfernt in nordwestlicher Richtung.


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