Expeditionstagebuch Pik Lenin

16.7.-29.8.1997

Teil 4


16.8.97 Lager 2 ­ Lager 3 ­ Lager 2

Für unseren ersten Aufstieg ins Lager 3 haben wir relativ viel eingepackt ­ Verpflegung für 4 Tage. Während des ersten Aufschwungs nach dem Lager gibt Yeti bekannt, daß er nicht weiter mitkommt ­ er hat Magenprobleme. Nach einer kurzen Beratung steigen wir noch gemeinsam die 200 Hm bis zum Gratkamm. Dort legen wir ein Depot aus den Lebensmitteln aus Yetis Rucksack und einigen meiner persönlichen Sachen an ­ mir war der Rucksack auch zu schwer. Dann kehrt Yeti um, und ich steige weiter mit hoch. Abends werde ich zu Yeti ins Lager 2 zurückkehren. Es läuft bei mir jetzt ganz gut ­ ich kann ein gleichmäßiges Tempo halten. Den Aufschwung am Pik Rasdelnaja schaffen wir in 50 min (200 ­ 250 Hm). Kurz nach 14 h erreichen wir das Lager 3 in knapp 6100 m Höhe. Knapp unterhalb des Sattels (in der Ostwand) fangen Steffen und Gerold an, eine Schneehöhle zu graben. Es existieren zwar zwei fertige, aber eine ist eingestürzt und eine andere besetzt. Ich beschäftige mich inzwischen mit Teekochen. Eine Schneehöhle kann hier lebenswichtig sein. Steffen hat im letzten Jahr selbst die Erfahrung gemacht, wie ein Sturm hier wüten kann. Danach waren alle Zeltbewohner demoralisiert abgestiegen, während er und sein Begleiter nach einem vergleichsweise ruhigen Aufenthalt in einer Höhle noch einen Gipfelangriff gestartet haben. Die
Katastrophe der sowjetischen Frauenmannschaft von 1974 war wohl auch auf einen solchen Sturm zurückzuführen.

Kurz nach 16 Uhr beginne ich mit dem Abstieg ins Lager 2, da meine Sachen ja im Depot lagen und Yeti meinen Schlafsack schon mit ins Lager mitgenommen hatte. Unten bin relativ schnell ­ nach 1:15 h. Kurz vor dem Lager befand sich ein übler Spaltenverhau, was wir morgens, als noch alles gefroren war, nicht so richtig mitbekommen hatten. Ein Loch hatte Yeti am Vormittag getreten. Das Wetter war gut; erst am Abend gibt es plötzlich Wolken und der Gipfel verschwindet in diesen.

17.8.97 Lager 2 ­ Lager 3

Heute starten wir vom Lager 2 unseren zweiten Versuch. Yeti ist wieder langsam, obwohl er meinte, besser in Form zu sein. Am Depot warte ich 20 min. Wir packen die Sachen von dort ein und gehen weiter. Auch am folgenden langanhaltenden aber nicht so steilen Anstieg braucht Yeti wieder viel Zeit. Wir rasten auf einer Schotterinsel und diskutieren die Lage. Yeti will weiter mitkommen. Den Aufstieg am Rasdelnaja packt er dann auch ohne größere Probleme und so sind wir dann bald wieder alle im Lager 3 vereint. Steffen und Gerold hatten in der Zwischenzeit den Pik Rasdelnaja bestiegen (etwa 80 Hm vom Lager 3). Die am Vortag noch von Spaniern besetzte Höhle ist jetzt frei und von Steffen und Gerold freigehalten worden. Ich vertiefe noch etwas den Eingang, so daß man weitgehend ohne Anzustoßen reinkommt. Außerdem ist so eine Kältefalle entstanden. Yeti legt sich rein, um seine Magenprobleme zu kurieren, die er doch noch hat. Gegen 18 Uhr verschwindet die Sonne in unserem Lager im Ostabhang ­ auf dem Sattel ist sie noch länger. Es wird sofort kalt. Ich bleibe noch eine Weile draußen, um weiter Tee zu kochen, während sich die anderen in die Zelte bzw. Höhlen verziehen. Steffen und Gerold wollen morgen einen Gipfelversuch starten. In unserer Höhle ist es recht bequem, wenn sie auch nicht besonders hoch ist. Der Eingang ist mit einem Rucksack nur dürftig verschlossen, trotzdem ist es nicht zu kalt.

18.8.97 Lager 3

Um 6.40 Uhr hören wir Schritte oberhalb unserer Höhle im Firn ­ Gerold und Steffen brechen zum Gipfelsturm auf. Wenig später sind sie tatsächlich in demselben. Unten bei uns im Lager gibt es ein paar Windböen, die Eiskörner über die zum Trocknen ausgebreiteten Schlafsäcke treiben. Weiter oben schien es schlimmer zu sein. Gegen 10.30 Uhr kommt Gerold allein wieder ins Lager zurück. Er war umgekehrt, weil er im Sturm Angst hatte, sich die Zehen zu erfrieren. Steffen war weitergegangen. Da noch andere Gruppen unterwegs waren, war er nicht ganz alleine. Außer einigen Leuten, die aufgegeben hatten, kam zuerst eine Gruppe von 5 Russen vom Gipfel zurück. Irgendwann fingen wir doch an uns Gedanken zu machen. Der Nachmittag war schon fortgeschritten, und es war nur eine 2er-Gruppe vom zweiten Grataufschwung im Abstieg. Das war allerdings komisch, da unseres Wissens kein 2-Mann-Team gestartet war. Ansonsten standen u.a. noch eine Gruppe von 4 Franzosen mit ihrem Führer aus, die spät gestartet und sehr langsam war. Irgendwann kam der erste von denn zwei den letzten Hang herunter; der zweite erschien erst viel später oben an der Kante. Ich steige hoch auf den Sattel, um den ersten mal auszufragen. Es ist eine Französin, die vorzeitig umgekehrt war. Sie sagt, daß als nächstes Steffen kommt, der stark dehydratisiert sei. Wir machen eine Flasche Wasser mit Magnesium-Brausetabletten fertig. Dazu packen wir noch eine Thermosflasche mit heißem Tee, die schon fertig war. Dann gehe ich Steffen entgegen, und wir treffen uns unten am Beginn des Aufschwungs. Er erzählt, daß er oben war, aber ihm noch im Aufstieg das Wasser ausgegangen sei (er hatte 1,5 l mit). Außerdem hätte ihm der Sturm doch so zugesetzt, daß Muskelkrämpfe im Oberschenkel bekam. Am Gipfel hatte er Halluzinationen: Er sah Gerold in kurzen Hosen als Chef einer Kindergartengruppe... Am Gipfel war er gegen 14.00 Uhr und 17.30 Uhr war er wieder im Lager 3. Nach seinen Berichten hatte keiner mehr so richtig Lust auf einen zweiten Versuch. Zum Schluß entschließen wir (Yeti und ich) uns, am nächsten Tag noch mal loszugehen. Gerold, der seinen Zehen nicht traut, und Steffen wollen ins Lager 2 absteigen. Steffen verbringt den Rest des Tages horizontal. Kurz vor 20 Uhr ziehen wir uns alle in die Höhlen zurück und machen Abendbrot. Dann schmelzen wir uns noch 3 l Wasser für den nächsten Tag, was bis 21.30 Uhr dauert. Gerold will am nächsten Tag (mit dem zweiten Kocher) liebenswürdigerweise noch mal 3 l produzieren, damit wir nicht den Fehler von Steffen wiederholen.

19.8.97 Lager 3 ­ 1. Gratbuckel ­ Lager 2

Um 5.00 Uhr klingelt der Wecker und wir werfen in der Schneehöhle den Kocher an. Er läuft aber nicht richtig, und so dauert es 2 Stunden bis wir genug getrunken haben. Zum Frühstück gibt es Schinken mit Dosenbrot. Da die Sachen leicht gefroren waren, liegen sie mir schwer im Magen. Yeti scheint das Zeug nach seinen Magenproblemen gut vertragen zu haben ­ er hatte sich gegen Müsli ausgesprochen. Wir kommen erst um 7.50 Uhr los, was relativ spät ist. Allerdings sind wir durchaus nicht die letzten. Auf dem Weg zum ersten Buckel ist der Wind noch relativ stark, und es gibt Triebschneeablagerungen, die das Steigen erschweren. Trotzdem sind die Bedingungen gut ­ und es steht kein Wölkchen am Himmel. Bei mir läuft es aber allerdings nicht gut. Ist es das Frühstück, eine leichte Erkältung, unzureichende Erholung oder ist einfach die Luft raus? Ich übergebe den Rucksack an Yeti. Am Hang steige ich komplett im Firn bzw. Schnee während Yeti das Geröll bevorzugt. Der erste Gratbuckel erweist sich als ein größeres Plateau, das wir nach 2:10 h erreichen. Steffen und Gerold waren gestern wesentlich schneller. Auf dem Plateau queren wir noch mal kurz nach Süden, um das Pamir-Panorama zu bewundern und zu fotografieren. Dann entschließen wir uns zur Umkehr, da inzwischen auch Yeti nicht mehr so gut drauf ist. Ihm ging es am Morgen noch ausgezeichnet. Unten im Lager sammeln wir den verstreuten Müll zusammen und essen Mittag.
Dann packen wir unsere Ausrüstung und ein paar mitnehmenswerte Lebensmittel in die Rucksäcke und machen uns auf ins Lager 2. Auf der Schotterinsel unterhalb des Rasdelnaja-Aufschwungs rasten wir. Als wir wieder weitergegangen waren, untersuchte ein Rabe unseren Rastplatz, ob wir gekrümelt haben. Der Spaltenverhau vor dem Lager 2 ist noch übler geworden ­ und langsam richtig gefährlich. Unten müssen wir erst mal erklären, warum wir nicht am Gipfel waren, ansonsten ruhen wir uns erst mal aus. Auch um unsere Zelte herum haben sich neue Spalten aufgetan ­ der Sommer ist eben schon fortgeschritten, und in den letzten Tagen hat es viel Sonne aber keinen Schnee gegeben.

20.8.97 Lager 2 ­ Lager 1b

Nach dem Frühstück packen wir alles zusammen und steigen ab. Trotz der weiter aufgerissenen Spalten ist der Weg problemlos, und nach 3 h sind wir wieder im Lager 1b. Zum Schluß hatte Yeti wieder ein paar Konditionsprobleme und wollte unter der Nordwand pausieren. Auch wenn die Lawinengefahr gering zu sein scheint ist ads wohl keine besonders gute Idee. Im Lager finden wir weitgehend alles so vor, wie wir es verlassen hatten. Unter Yetis Zelt hat sich eine kleine Verwerfung gebildet ­ auch hier war der Gletscher aktiv. Hauser und der Summit-Club sind weg. Unser Bekannte von den Trägern ist mit den anderen dabei, die Reste der großen Lager (Küchenzelt) nach unten zu transportieren. Das Wetter sieht etwas komisch aus: zwar (noch) wolkenfrei, aber in Richtung Alaital stark dunstig ­ und es scheint wärmer geworden zu sein.

21.8.97 Lager 1b

Eigentlich wollten wir heute absteigen, und Steffen geht es auch ganz gut, aber dafür hat Yeti Durchfall. Das Wetter sieht etwas unsicher aus ­ dem Wolkenbild nach scheint eine Warmfront anzurücken. Gerold und ich machen noch einen Ausflug und versuchen, den Hauptgipfel vom "Pik IGW" zu besteigen. Ob der Berg noch einen richtigen Namen hat, wissen wir nicht, aber wir waren bestimmt nicht die ersten dort. Wir queren den nördlich vom Lager liegenden Nachbargletscher diagonal aufwärts in Richtung einer Scharte in der vor unserem Berg liegenden Geröllrippe. Der Gletscher ist vor allem oben ziemlich zerrissen, jedoch aper. Eine Rampe führt zu der Scharte ­ besser Rinne. Die Rinne gehen wir aufwärts und queren dann kurz vor ihrem Ende links raus. Dann geht es über schwach geneigte Schuttflächen westwärts zum Westende des Grates von unserem Berg. Dort fotografieren wir einen schönen Gletschersee. Den Berg über den Gletscher zu besteigen, schlagen wir aus (länger und wahrscheinlich heikler). Statt dessen gehen wir direkter über das Geröll aufwärts, zuerst in einer Rinne. Unterwegs brechen wir das Unternehmen aber ab, da von Westen eine dicke Wolkenfront heranzieht. Nebel in dem Spaltenlabyrinth auf dem Gletscher wäre ziemlich unangenehm. Wir kommen aber gut ins Lager zurück da sich das Wetter nur langsam entwickelt. Abends gibt es, wie schon mittags, Spaghetti mit einer dicken Milchsoße ­ eine Art Spaghetti Carbonara (bzw. "a la campo uno"). Das Wetter bleibt friedlich. Hätten wir das gewußt, hätten wir den Aufstieg auch fortsetzten können.

22.8.97 Lager 1b ­ Atschik Tasch (Zeltlager)

Heute geht es Yeti wieder gut, dafür hat Steffen Probleme. Nach dem Frühstück mit Nutella und Keksen packen wir aber trotzdem die Rucksäcke und brennen den "Mülleimer" ab. Ein paar Lebensmittel lassen wir den benachbarten Russen (bzw. Bulgaren) da, dann geht es los. Die Sonne hat die Furchen auf dem Lenin-Gletscher vertieft, so daß er nicht gerade leichter begehbar wurde. Heute ist es jedoch stark bewölkt ­ mit zunehmender Tendenz. An der Flußüberquerung machen wir Pause mit Schokolade und Wasser. Der Wasserstand im Fluß ist niedrig, wenn auch das Wasser leicht grau ist, so daß wir das Trinkwasser woanders holen. Dann färbt sich der Fluß weiter oben plötzlich braun, und zeitgleich fragt Yeti, warum denn plötzlich so viel Wasser drin sei. Wir sprinten nach unseren Rucksäcken, aber nur Gerold und ich schaffen es noch vor der Flutwelle auf die andere Seite. Dann sitzen wir an beiden Ufern und warten auf ein Absinken des Wasserspiegels. Der war mindestens 50 cm gestiegen. Nach etwa einer Stunde kann man wieder zwischen zwei Steinen auf die andere Seite springen, und Steffen und Yeti kommen rüber. Dann übernehmen Gerold und ich etwas Gepäck von Steffen, bei dem es nicht besonders gut läuft. Dann keuchen wir die 200 Hm zum Paß der Reisenden hoch. Das letzte Stück zum Paß geht Yeti noch mal runter und übernimmt Steffens Rucksack. Bald sind wir auf der Zwiebelwiese. Auf dem Weg von der Wiese runter ins Zeltlager treffen wir den Niederländer, der mit runter geht und uns allerhand über das Geschehen am Berg mitteilt. Er spricht z.B. von etwa 25% Gipfelchancen pro Nase, was für unsere Gruppe genau hinkommt. Er selbst hat sich eine Fingerkuppe erfroren und muß zur Förderung der peripheren Durchblutung täglich eine Flasche Wodka trinken. Unten treten wir ihm noch ein Quantum Aspirin ab, so daß er es bis nach Hause schafft. Im Zeltlager angekommen, blafft uns erst mal einer der dort als Führer arbeitenden Russen an, als wir unser Zelt aufbauen in seinem Bereich aufbauen wollen (wo schon das Zelt des Niederländers stand). Also ziehen wir 5 m weiter ins Nachbarlager, wo man anscheinend nichts gegen uns hat. Im Lager steht ein Kamaz-LKW mit Busaufbau, der offenbar das Hauser-Restlager evakuieren soll. Wir fragen, ob wir am nächsten Tag mit nach Osch fahren können, erhalten aber erst mal eine unbestimmte Antwort. Man weiß halt noch nicht ob der Platz reicht. Yeti und ich gehen noch mal ins Atschik-Tasch-Hauptlager, wo am nächsten Tag eine deutsche Gruppe abfahren soll. Diese ist aber schon weg und auch die normalerweise dort stationierten Fahrzeuge. In zwei Tagen soll noch die Restmannschaft evakuiert werden. Das wäre für uns eventuell eine Möglichkeit, wenigstens bis ins Alaital gefahren zu werden, wo dann Anschluß an die regulären Busse nach Osch gegeben wäre. Abends kommt noch Sascha (der Kontrolletti) vorbei ­ es gibt Probleme, da uns jemand im Lager 3 gesehen habe, was aber mit dem Trekking-Permit nicht erlaubt sei. Steffen und Yeti klären das Problem, daß uns aber jeden noch mal 70 Dollar kostet.

23.8.97 Atschik Tasch ­ Osch

Morgens stehen wir um 7.00 Uhr auf, um bei Abfahrt des Kamaz gerüstet zu sein und gepackt zu haben. Irgendwann sind die Lagerreste im Laster verschwunden, und wir können unser Zeug dazuladen. Es wird ein ziemlich großer Haufen. Gegen 11.00 Uhr fahren wir ab und halten nach ein paar hundert Metern wieder. Es kommen noch zwei Leute aus einem anderen Lager dazu ­ mit den entsprechenden Rucksäcken. Diese müssen mit dem restlichen Haufen zusammengeschnürt werden, damit uns nicht alles ins Genick rutscht. Wieder etwas später halten wir an einer Jurte bei einem Kirgisen (oder Basmatschen), den wir häufig auf der Zwiebelwiese gesehen haben, und der z.B. auch mal Steffens Rucksack transportiert hat. Wir waren nicht vorher eingeladen gewesen und bleiben im Auto. Man reicht uns eine Schale Ayran (Joghurt). Yeti und Gerold weigern sich wieder, was davon zu probieren ­ auch gut, dann bleibt mehr für Steffen und mich. Dann geht es mit einem Sack und zwei zusätzlichen Passagieren weiter. Ein kleiner Junge fährt aber nur bis nach Kaschga Su im Alaital mit. Die weitere Fahrt geht recht flott voran ­ in Sary Tasch brauchen wir am Kontrollposten nur 20 Minuten, was nach Steffens Erfahrung rekordverdächtig ist. Um 20 Uhr erreichen wir Osch und werden direkt zur Tourbasa gefahren. Wir bezahlen 100 Dollar für die 260 km und bedanken uns mit einer Flasche Wodka. Wir stellen unsere Sachen in die Zimmer und ziehen noch mal los, um noch etwas zu essen zu finden. Am Frunse-Basar soll noch was offen sein. Nach einem Gespräch mit dem Taxifahrer fährt er uns noch ein paar Meter weiter, wo er ein Teehaus mit gutem Schaschlyk weiß. Das Schaschlyk dort ist auch wirklich gut, und wir verdrücken 18 Stück. Außerdem lassen wir uns noch eine Flasche Champagner (oder so was ähnliches ...) kommen. Wieder in der Tourbasa gehen wir (außer Yeti) in die Sauna und spülen den Dreck von vier Wochen runter. Dabei muß noch eine Büchse chinesisches Bier dran glauben. Später probieren wir eine Flasche einheimisches ­ da ist das chinesische doch noch besser.

24.8.97 Osch

Offenbar hat die VerPUFFung der Tourbasa weitere Fortschritte gemacht, und die richtigen Touristen, wie wir, dienen nur als Alibi. Wir wohnen links und rechts neben einem Nuttenzimmer, und die Damen gehen uns ganz schön auf die Nerven. Im Stadion nebenan liefen irgendwelche Proben eine Show für den Unabhängigkeitstag oder ein anderes Jubiläum. Tagsüber sind wir wieder auf dem Basar zum Mittagessen (Plof und Schaschlyk) und um etwas für das Abendbrot einzukaufen. Abends gibt es wirklich Probleme, als eine Nutten partout nicht Ruhe geben wollte. Das Personal regelte die Sache, indem unsere Nachbarinnen woanders hin geschickt wurden.

25.8.97 Osch

Am Vormittag waschen wir erst mal ein paar Sachen. Gerold hat ein Angebot von 100 Dollar für seinen alten MSR-Kocher von einem der Söhne des Hauses. Allerdings ist die Benzinleitung inzwischen absolut dicht, und es gelingt ihm auch durch Einlegen in Cola (Geheimtip) und dem Einsatz von Zangen nicht, die Litze aus der Leitung zu ziehen. Während er mit dem Kocher kämpft, gehen wir restlichen 3 noch mal auf den Basar Plof essen und Souvenirs einkaufen. Beim Messerschleifer läßt Yeti endlich aus seinem schartigen Opinel ohne Spitze wieder ein Messer machen. Ich kaufe noch eine Teegarnitur (mit Schälchen). Hoffentlich kriege ich alles heil nach Hause. Danach fahren Yeti und ich zum Flugplatz, um die Flüge für den nächsten Tag nach Bischkek klarzumachen. Es erweist sich aber nicht so einfach, wie sie dort mal behauptet hatten. Die Flüge gegen 8.00 Uhr mit den Jak 40, mit der Steffen so gern fliegen wollte, sind ausgebucht. Es bleibt nur die TU 134 um 10.50 Uhr. Außerdem wollten sie die Tickets in Som bezahlt haben, obwohl sie uns mal Dollar-Preise genannt hatten. Wir können erst mal nur zwei Plätze reservieren und hoffen, daß wir morgen irgendwie gemeinsam wegkommen. Danach fahren wir mit dem Taxi zurück zur Tourbasa (60 Som). Gerold geht noch mal los, um Mittag zu essen. Dabei tauscht er noch ein paar Dollar-Scheine gegen ein Bündel Som-Noten ein. Abends fahren wir dann noch mal zum Frunse-Basar ins Teehaus Schaschlyk essen, und abends gehen wir noch ein letztes Mal in die Sauna.

26.8.97 Osch ­ Bischkek ­ Almaty

Das Taxi (das gleiche, das uns gestern vom Flugplatz hergefahren hat) hatten wir für 8.00 Uhr bestellt, und es kam sogar pünktlich. Wir fahren mit allem Gepäck los. Unsere Zeche in der Tourbasa hatten wir mit Naturalien bezahlt (Lebensmittel, alte Isomatte von Yeti, ...). Für den 10.50 Uhr ­ Flug waren tatsächlich nur zwei Plätze frei. Aber eine Stunde später wird ein zusätzlicher Flug eingeschoben ­ sogar eine Jak 40 ­ und wir können alle mitfliegen. Der Flug nach Bischkek dauert eine knappe Stunde. Das Wetter ist etwas diesig und die Sicht begrenzt, aber nicht unbrauchbar. Vom Flugplatz in Bischkek fahren wir zu viert mit einem Audi 100 in die Stadt. Dort hofft Steffen seine Ulrike zu treffen, mit der er noch etwas trekken und nach China fahren will. Das Hotel am Stadion ­ der 1. Treffpunkt ­ existiert seit 1-2 Jahren nicht mehr. Am 2. Hotel steigt Steffen aus. Wir verabschieden uns und fahren zu dritt weiter nach Almaty. Der Audi läuft gut, und wir fahren zeitweise 140 km/h. An einer "Raststätte" machen wir Pause und essen Schaschlyk (zu 1 Dollar der Spieß ­ eben Raststättenpreise) und trinke Tee. Wir entscheiden uns, nicht wie ursprünglich vorgesehen, nicht nach Medeo hoch zu fahren, sondern erst mal unten in der Stadt abzusteigen. Vor dem Hotel "Shetisu" laden wir unser Gepäck aus, bezahlen und der Audi fährt weg. Dann stellen wir fest, daß der Ortlieb-Sack fehlt. Wir warten eine Weile vor dem Hotel ­ vielleicht kehrt der Fahrer ja um. Aber vielleicht merkt er es erst in Bischkek, wenn er überhaupt umkehrt. Eine Frau will uns vom Hotel in eine Privatwohnung entführen. Das werden wir wahrscheinlich auch machen, denn in Hotel verlangen sie für ein Doppelzimmer 50 Dollar. Aber erst mal müssen wir uns um den Sack kümmern. Einer kommt auf die Idee, mal zum Busbahnhof zu fahren ­ der Fahrer fährt bestimmt nicht leer zurück. Gerold und ich nehmen uns ein Taxi und fahren zum Neuen Busbahnhof, wo die Busse nach Bischkek abfahren. Dort steht der Audi tatsächlich noch, und wir können den Ortlieb-Sack sicherstellen. Er lag im Kofferraum ganz hinten. Der Fahrer versicherte uns, daß er uns auf jeden Fall den Sack zurückgebracht hätte ­ er wäre öfters in Almaty. Zurück am Hotel lassen wir uns abfangen und in eine möblierte Wohnung verfrachten. Die kostet zwar auch 30 Dollar die Nacht, aber hier haben wir Platz und eine Küche. Wir ziehen noch mal los und essen draußen vor dem Hotel Abendbrot. An einem der 24 Uhr geöffneten Kioske kaufen wir noch Brot, Wein u.a.. dann gehen wir in die Wohnung und sehen noch etwas kasachisches Fernsehen (auf Russisch): Nachrichten und einen Film ("Victory in Entebbe" ­ über eine Flugzeugentführung).

27.8.97 Almaty

Wir stehen spät auf und frühstücken. Um 14.00 Uhr kommt der Vermieter und kassiert noch mal 30 Dollar für die zweite Nacht und bis 18.00 Uhr. Dann gehen wir in die Stadt und besichtigen 2 Kirchen und das Kriegsmonument. Am städtischen Flugterminal lassen wir unsere Flugtickets bestätigen. Bei einem Basar essen wir Schaschlyk, dessen Qualität allerdings nicht an das in Osch heranreicht. Abendbrot gibt es in der Wohnung mit Brot, Salami und Räucherkäse.

28.8.97 Almaty

Der Vermieter will um 18.00 Uhr kommen, wenn wir zum Flugplatz fahren wollen. Unser Flug geht zwar erst am nächsten Morgen, aber dann müßten wir noch viel Geld für eine halbe Nacht bezahlen. Außerdem müßten wir spätestens 4.00 Uhr dort sein. Deshalb haben wir uns entschlossen, die Nacht dort zu verbringen. Das Wetter ist wider Erwarten gut, und wir beschließen, mal nach Medeo hoch zu fahren. Wir laufen zum Hotel "Kasachstan", wo laut "Lonely Planet" der Bus (Nr. 6) abfahren soll. Wir finden aber die Haltestelle nicht und fahren für 400 Tenge (
1 Dollar = ca. 75 Tenge) mit einem Auto. Oben steigen wir an dem berühmten Eisstadion vorbei auf die Mauer des Schutzdamms gegen Muren. Der erste Damm aus den 60iger Jahren, der unter Beteiligung von fast 10000 Tonnen Sprengstoff aufgeschüttet wurde, hatte schon seine Bewährungsprobe, mußte aber danach erhöht werden. Wir gehen noch etwas auf der Bergseite des Damms spazieren (auf dem Murenschutt) bis es anfängt zu regnen. Dann setzen wir uns am Eisstadion in ein Café und essen etwas. Als der Regen etwas nachläßt, laufen wir zur Bushaltestelle. Während wir dort unter einem Dach warten, geht der Regen richtig los. Es treffen noch einige durchnäßte Leute ein ­ die Regenjacken werden hier wohl im Sommer eingemottet.. Irgendwann kommt tatsächlich ein Bus, der auch wirklich die Nr. 6 ist. Für 20 Tenge fahren wir fast bis zu unserer Wohnung. Dort wartet schon der Vermieter, der sich in die Küche setzt, während wir packen und etwas essen. Dann ziehen wir los. Draußen kontrollieren zwei Milizionäre erst mal unsere Pässe, finden aber alles in Ordnung. Wir gehen erst mal zum Hotel, wo wir uns in das Café unter dem Eingangsdach setzen. Wir essen noch mal so eine Kartoffelsuppe wie vor zwei Tagen, die aber diesmal nicht so gut ist. Der Regen macht mal eine Pause, fängt aber wieder an. Wir kaufen noch was zu essen für den Flugplatz und fahren dann raus ­ mit irgendeinem Japanischen Auto mit Rechtssteuer. Wir nehmen in der internationalen Abteilung des Flugplatzes Platz. Es war gerade ziemlich leer, was sich aber bald ändern sollte. Wenig später werden zwei Flüge nach Tel Aviv und Antalya abgefertigt, und die Abteilung platzt aus allen Nähten. Zu sowjetischen Zeiten waren hier nur ein paar Ausländer oder wenige Auslandsflüge abgefertigt worden. Jetzt ist hier rund um die Uhr Betrieb, auch wenn die Flüge innerhalb der GUS im Inlandsbereich abgefertigt werden. Vom Monitor erfahren wir, daß unser Flug nicht 6.00 Uhr losgeht, wie auf dem Ticket steht, sondern erst 8.20 Uhr. Davon hatten sie uns beim Bestätigen der Tickets nichts gesagt.

29.8.97 Almaty ­ Hannover ­ Jena

Auf dem Flugplatz war die ganze Nacht Betrieb, so daß an Schlafen nicht zu denken war. Irgendwann sind wir aber auch dran. Das Gepäck ist wieder schwer ("Sie haben Übergewicht!"), und es dauert eine Weile, bis die Kassiererin ihren Computer beschworen hat und wir ihr erklärt haben, daß wir zu dritt reisen und das Übergewicht weniger als 30 kg pro Nase beträgt (was bei SAN weniger kostet). Wir fliegen dann nicht wie im Flugplan angekündigt nach Akmola sondern wieder nach Karaganda. Dieser Zwischenstop dauert 1,5 h und verzögert die Ankunft in Hannover. Dort kommen wir gegen 12.00 Uhr MESZ an. Gerolds Vater wartet schon mit einem Audi, was die Rückreise natürlich vereinfacht. Der Verkehr an diesem Freitagnachmittag ist ziemlich dick, so daß wir erst gegen 18.00 Uhr in Jena ankommen.


Teil 3
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