Bericht Chile/Bolivien 2003, Teil 2

07.08.03 Putre

Die Sonne kommt gegen 7 Uhr raus, und eine halbe Stunde später stehen wir auf. Im Zimmer haben wir 10°C und draußen herrscht Frost. Über dem Taapacá und dem Lauca_Nationalpark hängen ein paar lokale Wolken – ansonsten ist es sonnig. Ich besorge uns ein paar Brötchen fürs Frühstück. Später holen wir Benzin für den Kocher (im Laden unserer Herberge) und versuchen, noch ein paar Informationen zum Cerro Taapacá zu bekommen. Im Informationsbüro am zentralen Platz ist von Permits keine Rede. Dann starten wir unseren heutigen Akklimatisationsspaziergang. Wir folgen der alten Straße in Richtung Chungará bis man auf einen Hügel nördlich steigen kann. Auf diesem erreichen wir nach etwa zwei Stunden eine Höhe von 4100 m. Der Blick zum Cerro Taapacá ist fast frei, der Verlauf der Straße zum Westsattel ist allerdings nicht vollständig zu erkennen. Der angeblich 4900 m hohe Hausberg von Putre (mit Fahne und Statue) scheint nun nicht wesentlich höher als unser Standpunkt auf dem Hügel zu sein. Offenbar stimmt hier was mit der Karte nicht.

Beim Abstieg beschließen wir, den Hausberg sein zu lassen und dafür langsam den Taapacá anzugehen, d.h. in zwei Tagen zum Westfuß zu laufen und den Berg dann zu besteigen. Die Frage ist nur, ob man der Straße oder einem Fluß folgen sollte, den die unbefestigte Straße aber auch zweimal kreuzt. Später versuchen wir in der örtlichen Bibliothek ein paar E-Mails abzusetzen (kostenloser Internetservice). Es ist aber alles mit Soldaten aus dem Army-Camp besetzt. Die meisten scheinen sich das aber nur mal anzugucken, und wenig später ist ein Platz frei. Zum Abendbrot geht es in ein kleines Restaurant gleich neben der Herberge. Yeti hat rausgekriegt, daß es um 20 Uhr aufmacht. Hier gibt es u.a. einen exzellenten Alpaca-Braten. Offen ist hier aber nur, wenn organisierte Touristengruppen avisiert sind.

08.08.03 Putre – Lager Abzweig

Heute klingelt mal der Wecker, da es etwas früher losgehen soll. Wir nehmen das Zelt mit und planen dem Taapacá auf die Pelle zu rücken oder wenigstens höher zu schlafen, um die Akklimatisierung voranzureiben. Unsere Rucksäcke hatten wir schon am Vorabend gepackt. Ich will noch Brötchen für das Frühstück unterwegs kaufen, aber der Laden macht erst um 9 Uhr auf, so daß wir auch etwas länger hätten schlafen können. Um halb 10 Uhr geht es dann mit dem Gepäck los. Wir folgen im wesentlichen der alten Straße von Putre nach Chungará. Da unsere Akklimatisierung noch zu wünschen übrig läßt, geht es nur langsam voran. Gegen 13 Uhr kommen wir an die Einmündung der alten Straße in die Fernstraße Arica – La Paz. Hier gibt es einen kleinen Fluß und Zeltmöglichkeiten. Da wir trotz der nur 500 Höhenmeter schon ziemlich müde sind und die Fortsetzung des Weges unklar ist, beschließen wir, hier auf knapp 4100 m zu bleiben. In einer kleinen Talsenke schlagen wir das Zelt auf. Die Laster auf der Hauptstraße sind hier kaum zu hören. Während Yeti sich ausruht, mache ich noch einen kleinen Erkundungsgang. Die Karte scheint zu stimmen, und ich kann die Fortsetzung der Straße zum Cerro Taapacá finden. Sie zweigt etwas weiter oben von der Fernstraße ab. Dazwischen liegt ein Army-Camp. Nach einer knappen Stunde bin ich wieder am Zelt. Zum Abendbrot gibt es Nasi Goreng aus der Tüte. Als es schon dunkel ist, hören wir draußen ein ärgerliches Schnauben. Es ist eine Herde Vicuñas, die unser Zelt zu einem Umweg zwingt. In der Nacht werden meine Kopfschmerzen wieder stärker, lassen aber andererseits auch zeitweise ganz nach.

09.08.03 Lager Abzweig

Gegen 7 Uhr geht die Sonne auf, scheint aber ärgerlicherweise erst ab 8 Uhr aufs Zelt. Unter der Zeltapsis sind es -2°C. Da sich, abgesehen von meinen Kopfschmerzen, auch Yeti nicht so richtig fit fühlt, lassen wir das Zelt stehen und machen heute nur einen Tagesausflug. Zuerst geht es querfeldein zur Straße zum Taapacá und dann diese entlang nach oben. Die zwei Flußkreuzungen aus der Karte gibt es tatsächlich (mögliche Lagerstellen). Da es von der zweiten (und letzten) noch weit bis zum Berg ist und die Straße nur langsam an Höhe gewinnt, verlassen wir diese und folgen dem zweite Fluß. Es ist der Fluß, der direkt nach Putre runter fließt. Auf knapp 4500 m finden wir eine Zeltmöglichkeit in einem Talschluß, wo wir morgen eventuell unsere Schlafhöhe steigern können. Hier entspringt auch der Fluß, so daß man auf dem Weg zum Berg noch Wasser finden müßte, wenn man nicht bis zur Schneegrenze steigt. Der Taapacá sieht zwar noch etwas weiß aus, es scheint sich aber mehr um Schneereste zu handeln.

Wir steigen noch weiter auf eine etwa 4750 m hohe Schulter. Die Sicht auf den Cerro Taapacá ist zwar gut, aber den Fuß des Berges können wir nicht sehen, da noch ein paar Hügel dazwischen liegen. Wir beschließen, daß die 650 Höhenmeter für heute genug sind und kehren um. Kurz vor halb 4 Uhr sind wir wieder am Zelt. Heute war es tagsüber etwas stärker bewölkt, aber immer noch heiter. Zum Abendbrot gibt es wieder eine Tüte Trockenfutter und Tee. Bei meiner Gletscherbrille wird eine Reparatur fällig: Ich habe beim Verpacken einen Bügel abgebrochen.

10.08.03 Lager Abzweig - Putre

Anfangs ging es mir in der Nacht ganz gut, dann stellten sich wieder Kopfschmerzen ein. Da sich am Morgen auch Yeti nicht so gut fühlt, entschließen wir uns, nicht weiter aufzusteigen, sondern uns in Putre zu erholen. Den Weg runter schaffen wir in anderthalb Stunden. Nach einem kurzen Mittagessen organisieren wir unsere nächsten Unternehmungen. Wir wollen uns morgen zur Nationalparkstation Las Cuevas fahren lassen und von dort aus noch mal den Cerro Taapacá angehen. Danach soll es gleich von dort aus nach Bolivien zum Sajama weitergehen. Im Reisebüro „Aymara Uta“, das auch Bergtouren organisiert, versuchen wir, unsere Pläne rüberzubringen. Als uns das nach längerer Zeit gelungen war – unsere Spanischkenntnisse lassen zu wünschen übrig – kommt ein Preis von 200000 Pesos (ca. 260 €) für den Transfer bis Sajama raus. Das erscheint uns etwas teuer, und so entschließen wir uns, die Tour von Las Cuevas nach Sajama rauszulassen, auch wenn das Reisebüro mit sich handeln läßt. Wir werden dann trampen oder Bus fahren. So kostet das ganze noch 10000 Pesos pro Nase. Das ist immer noch ein stolzer Preis für 20 km, aber so sparen wir etwas Zeit. Am nächsten Morgen um 8 Uhr soll es losgehen. Als wir Brot und Käse für die Tour einkaufen wollen, ist der „Supermercado“ zu. Es ist zwar Siestazeit, aber auch Sonntag, und der Ort wirkt wie ausgestorben. Gegen 17 Uhr ist unser Reisebüro wieder auf, und sie versichern mir, daß auch der Laden, wo es Brot gibt, bald wieder aufmachen würde. Gegen halb 6 Uhr kann ich dann einkaufen. Inzwischen geht es Yeti schlechter – er mißt leichtes Fieber – so daß ich allein Abendbrot essen gehe. Ich selbst habe zwar auch eine verstopfte Nase, aber in der Nacht auf 3500 m keine Kopfschmerzen mehr.

11.08.03 Putre

Yeti geht es wieder besser, aber wir entschließen uns trotzdem, noch einen weiteren Ruhetag einzulegen, denn Las Cuevas liegt fast 1000 m höher. Es gelingt mir, das Auto abzubestellen und das Geld wiederzubekommen. Dann lassen wir den Tag ruhig angehen und essen Frühstück. Danach repariert Yeti seinen Kocher, der sich oben etwas wiederwillig zur Mitarbeit überreden ließ, und ich schiene den Bügel meiner Gletscherbrille mit einer Kugelschreibermine. Später setze ich von der Bibliothek aus eine E-Mail nach Hause ab. Mittags sind wir wieder im „Rotamel“ und essen ein vollständiges Menü. Am Nachmittag machen wir noch ein paar Besorgungen für unseren morgigen Start nach Las Cuevas, und ich trage die 20000 Pesos wieder zu „Aymara Uta“. Später streifen wir noch mal mit dem Fotoapparat durch den Ort. Mit dem Abendbrot in unserem Stammrestaurant wird es nichts, da es heute geschlossen bleibt. Offenbar sind keine Touristengruppen angekündigt. Also kaufen wir uns Brötchen und Käse und essen Abendbrot in unserem Zimmer im Hostal Cali, wo wir gestern wieder untergekommen waren. Teewasser machen wir mit Yetis Kocher im Hof vor dem Zimmer warm.

12.08.03 Putre – Las Cuevas

Nach dem Aufstehen essen wir schnell noch was, bevor wir unsere Rucksäcke vor das Reisebüro tragen. Die Abfahrt verzögert sich leicht, weil das Auto erst verspätet kommt. Schließlich geht es aber los, wobei wir zwei zusätzliche Passagiere in einem Kleinbus sind, der eine Gruppe Franzosen durch den Nationalpark fährt.

An der Station Las Cuevas, auf knapp 4500 m, steigen wir aus und fotografieren erst mal die dortigen Vizcachas („Pfeifhasen“ – mit langem Schwanz). Hier ist ein 1,5 km langer Rundweg angelegt, und die Tiere scheinen sich an die Besucher gewöhnt zu haben. Später schleppen wir unsere Rucksäcke auf die andere Seite der Straße, wo wir unter einer von weiteren Vizcachas bewohnten Felswand unser Zelt aufschlagen. Die Straße ist von hier kaum zu hören, und es ist hier fast windstill. Danach machen wir eine Erkundungstour ohne viel Gepäck in Richtung Cerro Taapacá. Wir überqueren einige Kilometer der Hochebene (ca. 4500 m über dem Meer) und nähern uns dann dem Berg. Wir steigen bis 4800 m, können aber nicht den ganzen Aufstiegsweg einsehen. In der Gegenrichtung, allerdings 45 km entfernt, raucht der Guallatiri. Vor dem Gipfel des Cerro Taapacá liegt noch ein Grat, von dem nicht klar ist, ob er Verbindung zum Hauptgipfel hat. In einem Flußtal unterhalb finden wir auf 4700 m eine Zeltmöglichkeit. Nach der Rückkehr zum Zelt futtern wir erst mal was. Ich gehe noch mal zur National­park­station Wasser aus einer Quelle holen und bezahle unsere Zeltübernachtung (5000 Pesos). Der Ranger wollte das Geld gleich haben, denn er fährt morgen nach Arica. Später gehen wir, gemeinsam mit den unweit grasenden Vicuñas, zum richtigen Abendbrot über. Das Rührei aus der Tüte klebt gut im Topf, so daß das Abwaschen etwas mühsam wird. Immerhin gibt es Wasser, wenn auch eiskaltes. Die leichten Kopfschmerzen, die ich tagsüber noch hatte, geben sich im Laufe des Abends. Das ist erfreulich, immerhin waren wir bis zu 1300 m über Putre.

13.08.03 Las Cuevas – Lager Taapacá

Das erste Mal auf dieser Tour habe ich morgens keine Kopfschmerzen - und das bei diesem Höhensprung! Der Tag beginnt also optimistisch, wenn auch kalt. Als ich nachts mal aus dem Zelt mußte, waren es unter der Apsis -12°C, d.h. draußen müssen es so -15°C gewesen sein. Es wird sich erweisen, daß das die kälteste Nacht auf unserer Tour war. Nach dem Frühstück packen wir unsere Rucksäcke. Der Ranger macht seinen Rundgang und wünscht uns einen guten Morgen. Unsere Ausrüstung, die wir auf der Tour nicht brauchen, stecken wir in einen Sack, den ich zur Nationalparkstation trage. Zusammen mit dem Ranger verstecken wir den Sack hinterm Haus unter ein paar Papptafeln.

Dann laufen wir los, schlagen aber einen etwas anderen Weg ein, der die vielen Wellen vom Vortag vermeidet. Unser Zelt schlagen wir dann ein paar Meter oberhalb der erkundeten Stelle auf. Dazu müssen wir aber erst mal einen Platz planieren, was aber in dem lockeren Material nicht so schwer ist. Wasser wird 20 m tiefer geholt, dann gibt es Tütensuppe und Tee - kurz vor Sonnenuntergang wird richtig gekocht. Im letzten Tageslicht hole ich noch mal Wasser, damit wir morgen für unterwegs und nach unserer Rückkehr was haben.

14.08.03 Nevados de Putre

Als um 6 Uhr der Wecker klingelt, ist es noch fast dunkel. Draußen sind es -8°C. Wir ziehen uns an, und Yeti kocht Tee. Langsam wird es heller. Nach dem Frühstück (Brötchen mit Salami) geht es los. Wir wollen heute auf den Cerro Taapacá, wenn wir einen gangbaren Weg finden. Als die Sonne auf das Zelt scheint, sind wir schon 100 m höher – etwa an der Stelle, an der wir vorgestern auf unserer Erkundungstour umgekehrt waren. Hier machen wir eine kurze Pause, ziehen uns die nun überflüssigen Fleecejacken aus und schmieren uns mit Sonnencreme ein. In der Nähe laufen ein paar Vicuñas rum. Dann geht es einen Schuttgrat hoch. Währenddessen nutzt ein Kondor den Hangaufwind und beäugt uns aus geringer Höhe. Den ersten Gratgipfel erreichen wir bei 5200 m, also 500 m über dem Zelt. Viel zu sehen ist von unserem Ziel aber noch nicht, dazu müssen wir dem Grat noch weiter folgen. Dafür kommt hinter dem Parinacota und dem Pomerape langsam der Sajama zum Vorschein. Ich sehe ihn das erste Mal, da er im letzten Jahr ständig hinter Wolken bzw. Bergrücken verborgen war. Nach einem unbedeutenden Buckel steilt sich der Grat nochmals auf. Am nächsten Gipfel wird sich entscheiden, ob es einen Verbindungsgrat zum Hauptgipfel gibt, wie ich vermute. Nach 150 m steilem, anstrengendem Geröll haben wir die Bescherung: Vom Cerro Taapacá trennt uns ein tiefes Tal, und es ist auch noch einiges an Horizontalentfernung. Ein richtig leichter Anstieg ist von unserem Aussichtsgipfel nicht zu erkennen. Als Zugang in das trennende Tal ist Las Cuevas jedenfalls nicht geeignet, wie Yetis Führer behauptet; dazu hätte man früher von der Hauptstraße abbiegen müssen. Der einfachste Anstieg auf den Cerro Taapacá beginnt wahrscheinlich vom Paß auf der Westseite.

Auf diesem 5350 m hohen Gipfel der Nevados de Putre machen wir eine ausgiebige Pause, denn die Aussicht ist grandios. Man kann fast den ganzen Lauca-Nationalpark überblicken, und alle fünf 6000er der Gegend (der Sajama, die Payachatas, der Guallatiri und der Acotango) sind zu sehen. Zur Akklimatisierung dürfte diese Tour auch beigetragen haben. Nach einer Dreiviertelstunde am Gipfel kehren wir um. Der Schutt, der den Anstieg so mühsam gemacht hatte, erleichtert nun den Abstieg. Wir wählen einen anderen Weg, der die Gratkuppen umgeht, und sind nach einer reichlichen Stunde wieder am Zelt. Hochzu hatten wir 3,5 Stunden gebraucht. Wir halten Siesta im Zelt, obwohl es durch die Sonne ziemlich warm wird (über 30°C). Yeti hat einen Sonnenbrand an der Hand, so daß er erst nach Sonnenuntergang wieder aus dem Zelt kommt. Zwischendurch essen wir wieder eine Tütensuppe und trinken Tee. Kurz bevor es wirklich dunkel wird essen wir dann noch mal richtig Abendbrot.


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