Expeditionsbericht Tien Schan 
8.8. - 6.9.1999

Teilnehmer:

Carol Baunack, Matthias Guntau, Michaela Hohberg, Thomas Guido Hohberg, Horst Heimo Jahn, Gunther Knauthe, Robert Lippmann, Axel Pfefferkorn, Gisela Jana Szilagyi, Thomas "Tovo" Wolfgang Voigt

Marat Ainsanow, Shenja, Wolodja, Kolja

Zitate:

Dr. Gottfried Merzbacher, Der Tian-Schan oder das Himmelsgebirge - Skizze einer in den Jahren 1902 und 1903 ausgeführten Forschungsreise in den zentralen Tian-Schan, Zeitschrift des D. u. Ö. Alpenvereins 1906

Reiseablauf


8.8.99

" Was sind das für Schuhe?", fragt ein kleiner Junge. "Die sind für die Berge - schön warm und wasserdicht." "Ihr geht wohl dahin, wo Schnee liegt?" "Ja, so hoch wollen wir."

Auf dem Flugplatz Schönefeld in Berlin setzt erst mal das große Umpacken ein, um die Rucksäcke zu erleichtern. Insgesamt habe ich 40 kg Gepäck, die verringert werden müssen. Die schweren Bergstiefel kommen an die Füße und die Jacke über die Schulter. Dann geht es zur Sicherheitskontrolle. "Haben Sie Gaskartuschen mit? Packen Sie bitte mal aus!" Jetzt wird es spannend, denn ich habe zwar kein Gas, aber eine gefüllte Benzinflasche dabei. Thermos- und Trinkflasche sind schon draußen. Ich bin gerade dabei, meine zweimal eingewickelte Benzinflasche auszutüten (es riecht schon nach Benzin), da meint der Beamte, das er was kleineres sucht. Ach so, die Blechtasse!

Uff, ich packe alles schnell wieder in den Rucksack und schleppe das Gepäck zum Einchecken. Die Frau an der Waage zeigt sich kooperativ. Deshalb und wegen einiger Abstimmungsschwierigkeiten zwischen der Gepäckannahme und der "Pulkovo"-Fluggesellschaft kommen wir komplett ohne Zuzahlung davon. Außerdem wird das Gepäck gleich bis Almaty durchgeleitet. Bei der Personenkontrolle reagiert der Metalldetektor auf das Silberpapier meiner Kaugummis.

Der Flug nach St. Petersburg ist zwar etwas holprig, aber sonst ganz angenehm. Aber dort gibt es wieder Verwicklungen: Aus irgendwelchen Gründen sollen wir unser Gepäck doch noch mal abholen - vielleicht wollen sie doch noch Übergepäckzuschlag kassieren. Wir kommen aber nicht durch die Paßkontrolle, da unser Gruppenvisum für Kirgistan erst ab morgen gültig ist, und morgen kommen auch erst in Almaty an. (Irgendwann gab es den Plan, am 9.8. zu fliegen.) "Eine interessante Situation!", meint der Chef der Paßkontrolle. Am Ende bleiben wir im Transitbereich, und das Gepäck wird ohne uns umgeladen. Aber wie kommen wir an die Bordkarten? Die Check-In-Schalter sind natürlich draußen, und am Tisch des "Transit Dispatchers" ist niemand. Gunther rennt ohne Erfolg durch die Hallen. Schließlich finden wir in der VIP-Lounge eine Frau, die weiß, wen man anrufen kann. Eine Angestellte erscheint, nimmt unsere Tickets in Empfang und kommt wenig später mit den Bordkarten zurück. Dann werden wir als erste ins Flugzeug geholt.

Der zweite Flug mit der TU154M ist sehr angenehm. Es gibt kalt und warm zu essen, aber etwas wenig zu trinken. Dann fliegen wir in die Dunkelheit. Außer den Sternen sind auch unten in der kasachischen Steppe immer wieder Lichter zu sehen. In der Ferne blitzt es gelegentlich.

Nach der Landung in Almaty (Alma Ata, früher mal Hauptstadt von Kasachstan) gibt es erst mal wieder Verzögerungen, da die Kontrolleure mit dem kirgisischen Gruppenvisum nichts anfangen können. Am Ende kommen wir aber durch. Marat, unser Reiseveranstalter und Freund von Tovo und Gunther, erlöst uns von den Taxifahrern, die schon ein Geschäft gewittert hatten. Das Gepäck kommt in Marats Niva. Wir selbst fahren mit einem angemieteten Kleinbus ins Hotel "Almaty".

Jemand wußte vorher, daß der Flughafen abgebrannt sein sollte. Tatsächlich war auch ein größeres Gebäude abgefackelt, aber der Rest des Flugplatzes sieht noch so aus, wie vor zwei Jahren, als wir zum Pik Lenin unterwegs waren. Am Hotel laden wir wieder ab und beziehen unsere Zimmer, nachdem wir uns durch die viel zu kleinen Aufzüge gequetscht hatten. Gunther besorgt noch 1 l Fruchtsaft (für 4 Dollar) gegen den größten Durst. Dann geht es gegen 500h ins Bett. Zu Hause ist es jetzt noch 000h.

9.8.99

Um 1000h sollen wir aufstehen, aber es passiert erst mal nichts. Langsam kommen wir aus den Betten, und irgendwann erscheint auch Marat. Da es im Hotel nur bis 1000h Frühstück gibt und es sowieso billiger ist, wird zur Eigenversorgung übergegangen. Marat und seine Mutter brutzeln auf dem Hotelbalkon Steaks und Spiegeleier, was dann mit Salat und Kartoffelbrei in den Zimmern serviert wird. Der Tee kommt etwas später.

Im Foyer des Hotels erklärt uns dann Marat seinen Plan für die Trekking- und Akklimatisierungstour und für die anschließende Khan-Tengri-Besteigung. Unsere Rucksäcke haben wir schon für die erste Tour optimiert. Das restliche Gepäck bleibt bei Marat und geht dann ins Basislager auf dem Südlichen Inyltschek-Gletscher im zentralen Tien Schan.

Der Tian-Schan ist wie unsere Alpen ein Kettengebirge. Da er sich zwischen dem 68. und 92. Längengrad (Greenwich), also auf einer Länge von nahezu 2000 km erstreckt, erreicht er mehr als die doppelte Länge unserer Alpen. Die geographische Breite seiner Lage ist zwischen dem 40. und 46. nördlicher Breite anzunehmen, doch erreicht er seine mächtigste Entwicklung, als eigentliches Hochgebirge im strengeren Sinne, zwischen dem 41. und 43. Grad nördlicher Breite, also etwa in der Breite des zwischen Neapel und Florenz sich erstreckenden Teils von Italien. 

Jana, Tovo und Marat fahren los, um die derzeit nicht benötigte Ausrüstung zu Marats Haus zu fahren. Der Rest wartet im Hotel oder erkundet die nähere Umgebung. Kurz vor 1500h kommen Marat und die anderen wieder. Sie bringen Mineralwasser mit, was sehr willkommen ist.

Die Rucksäcke werden wieder in Marats Auto verladen, dann geht es wieder mit dem Niva und einem Kleinbus los. Nach reichlich 2 h und 70 km Fahrt halten wir an einem kleinen See im Transili Alatau, einer nördlichen Gebirgskette des Tien Schan. Hier kommt der Kleinbus nicht mehr weiter. Marat fährt mit den Rucksäcken noch ein Stück und nimmt noch drei Leute auf der hinteren Stoßstange mit. Der Rest geht zu Fuß bis zu einem Murenschutzdamm. Dieses Bauwerk georgischer Konstruktion ist ein Gitterwerk aus Stahlbeton. Dort treffen wir Kolja, einen unserer Führer. Marat entscheidet, heute nicht mehr bis zum ersten Zwischenlager aufzusteigen, wo schon ein Zelt steht, sondern bei einem Förster und Naturparkranger unweit des Damms zu bleiben. Dort sind wir dann auch schon nach einer Viertelstunde, wo es zum Abendbrot Borschtsch und Kartoffeln mit Fleisch gibt. So speisen wir unter dem Antlitz Stalins, bevor wir unsere Zelte aufbauen. Gegen 2200h gehen wir schlafen. Nachts regnet es kurz.

10.8.99

Um 600h "klingelt" der Wecker, aber erst eine halbe Stunde später wird es richtig hell und um 700h stehen wir auf. Die Frau von Sergej, dem Förster, macht Tee und kocht die von Marat mitgebrachten Eier. Dann wird gefrühstückt.

Kurz vor 900h marschieren wir mit Sergej als Führer los. Es geht den Fluß Issyk stromaufwärts - nicht besonders steil, aber das Gelände ist etwas kompliziert. Sergej kennt den Weg aber sehr gut, was uns eine größere Flußüberquerung erspart. Nach einem Talknick steigt der Weg etwas steiler an. Wir balancieren auf Baumstämmen über die Strömung. Sergej erklärt uns, daß der eigentliche Talgrund 50 m tiefer liegt. Am 7.7.63 hat eine Mure das Tal 90 m aufgefüllt - 40 m sind bereits wieder abgetragen.

Wenig später fällt doch noch einer ins Wasser: Thomas rutscht Stein unterm Fuß weg. Er hat etwas Schwierigkeiten, sich von seinem Rucksack zu trennen, ansonsten ist nicht viel passiert. Aber natürlich ist keiner mit dem Fotoapparat in der Nähe. Nach Aussagen erfahrener Trekker passiert nichts, wenn solche Flußüberquerungen durch den Sucher beobachtet werden. Es ist aber nur ein flacher Nebenarm und sowohl Kolja als auch Wolodja waren schon mal im Fluß (war's nachts oder nur der Wodka?).

Gegen 1400h erreichen wir den vorbereiteten Lagerplatz im Wald auf ca. 2400 m. Wir trocknen unsere durchgeschwitzten Sachen und Schuhe und bauen die Zelte auf. Shenja, unsere Köchin, kocht Mittag , und dann picknicken wir auf der Waldwiese. Es gibt Kartoffeln mit Fleisch, Gurkensalat und Morskaja Kapusta ("Meereskohl" = Seetang). Von letzterem ist aber nur Tovo so richtig begeistert. Er schmiedet schon Importpläne.

Nach dem Ausruhen am Nachmittag findet Tovo, daß man den Rest des Tages noch sinnvoll nutzen könnte. So packen wir noch mal unsere Rucksäcke, um schon mal Material für den nächsten Tag weiter oben zu deponieren. Wir vereinbaren mit Shenja, daß wir 1900h umkehren und laufen mit relativ leichten Rucksäcken los. Zum Zeitpunkt unserer geplanten Umkehr erreichen wir einen Talschluß, wo wir unsere Sachen an einem größeren Felsblock ablegen. Hier treffen wir auch auf Kolja und Wolodja, unseren zweiten Führer. Wolodja klettert auf den Felsblock, um das Brot bärensicher zu verstauen. Außerdem treffen wir zwei ehemalige Bergführer, die früher mal im Fan-Gebirge tätig waren. Wir waren uns heute morgen schon mal im Wald begegnet. Sie hatten nur eine einfache Plane als Zelt - haben aber wohl sowieso unter freiem Himmel geschlafen.

Kurz nach 2000h sind wir wieder unten im Lager bei Shenja, und es gibt Suppe zum Abendbrot. Am Nachmittag hatten wir schon Holz gesammelt, so daß wir am Abend noch ein Lagerfeuer machen können, z.B. um unsere vom zweiten Marsch durchgeschwitzten Sachen zu trocknen. Außerdem gibt es Tee, und Shenja porträtiert alle Gruppenmitglieder, um sich die Namen merken zu können.

11.8.99

Wir stehen kurz nach 700h auf und frühstücken. Abmarsch ist kurz nach 900h. Zuerst geht es zu unserem Depotplatz. Dorthin sind wir sogar etwas schneller als gestern. Die Flußläufe im weitverzweigten Delta sind heute morgen fast versiegt. Nach einer ausgiebigen Pause ist Schluß mit lustig. Anfangs haben wir noch einen Weg im Bergwald, dann steigen wir eine Schutthalde hoch. Tovo findet einen besseren Weg - unsere Führer kommen weiter hinten. Noch vor dem Geröllhang rutsche ich zweimal mit ein paar größeren Blöcken in Richtung Fluß. Später holen die andern mit Wolodja auf und schicken uns in leichteres Gelände. Dazu muß ich aber einen kurzen Steilhang aus lockerem Material hoch. Das gelingt mir ohne wieder runterzurutschen. 300 Höhenmeter über dem Talgrund machen wir Rast. Gunther, Michaela und Thomas steigen noch weiter abseits hoch. Gunther verzichtet daraufhin, wieder zu unserem Rastplatz abzusteigen und marschiert mit seinem schweren Rucksack gleich durch.

Weiter geht es über Blockwerk und Geröll auf einen kleinen Paß (3170 m) hinter dem der Akkol-See beginnt. Das Geröll vor dem Paß war noch mal ziemlich schlauchend. Unser nächstes Lager schlagen wir hinter dem See bei einer hydrologischen Beobachtungsstation auf. Hier werden die Niederschläge und Geländebewegungen registriert, um das Tal und weiter Almaty vor Muren warnen zu können. Diese Schlamm- und Geröllawinen sind im Transili Alatau keine Seltenheit.

Als Stärkung gibt es im Lager Tee und lettische Sprotten in Öl (sehr zu empfehlen!). Die Sonne scheint gerade lange genug, um die Sachen zu trocknen. Dann zieht es zu, was schade ist, da ja noch die Sonnenfinsternis bevorsteht, wenn sie auch hier nicht total sein wird. Tovo, Robert und Carol steigen noch mal ab, um ein paar Proviantreste aus dem Depot zu holen. Jana, Heimo und Axel deponieren etwas Alpinmaterial weiter oben. Ich liege im Zelt, ruhe aus und schreibe Tagebuch. Kurz vor 1800h kommt die Sonne noch mal raus - um im selben Moment hinterm Berg zu verschwinden. Ich laufe ein Stück über die Almwiese und sehe die Sonne wieder, aber noch ohne "Delle". Wenig später geht die Finsternis dann aber los. Zusammen mit Gunther beobachten wir das Ereignis bis wir keine Lust mehr haben, weiter über die Wiese aus dem Schatten des Berges zu laufen. Außerdem gibt es Abendbrot.

Die Truppe von oben kommt wieder, und gegen 2100h ist auch das Kommando von unten wieder da. Sie berichten, daß es einen wesentlich besseren Weg gibt. Wir hätte nur den Weg durch den Wald nach dem Depot konsequent weitergehen müssen. Gegen 2300h erscheint auch noch mal Marat persönlich und bringt uns Brot und Gaskartuschen. Eigentlich wollte er schon gestern kommen, aber beim Niva waren die Bremsen kaputt.

12.8.99

Noch in der Nacht fängt es an zu regnen. Gegen 1000h gibt es eine Regenpause, die wir für das Frühstück nutzen. Oberhalb der Alm hängt der Nebel. Wir entschließen uns trotzdem loszugehen. Der Weg durch die Almwiesen ist zumindest anfangs nicht zu verfehlen, und wir finden auch das Materialdepot trotz 50 m Sichtweite wieder. Dann steigen wir weiter, um möglichst weit oben, aber noch vor dem Kokbulak-Paß, einen Zeltplatz zu suchen. Einen solchen finden wir in etwa 3600 m Höhe und beschließen, hier zu bleiben.

Bei einem kurzen Anstieg zum Holen der Rucksäcke, die wir ein paar Meter weiter unten hatten liegenlassen, begegnen wir Wolodja, und er ist sehr froh, uns zu sehen. Unsere Begleiter waren nach uns gestartet, und Kolja hatte sich mit ihm wegen des Weges gestritten. Kolja und Shenja treffen später ein und behaupten, bereits am Paß gewesen zu sein. Allerdings kommen sie aus einer ganz anderen Richtung...

Insgesamt war es fast den ganzen Tag neblig - gegen Abend aber etwas weniger. Nach einer Rast gehen die meisten in Richtung Paß weiter, um wieder Alpinmaterial hochzuschaffen. Sie deponieren es 200 m unter dem Paß, während Wolodja und ich noch mal zur Hydrologenstation absteigen, um die restlichen Lebensmittel zu holen. Nach einer halben Stunde sind wir unten. Wir packen ein und trinken noch einen Tee mit den Murenwächtern. Dann geht es in eineinhalb Stunden wieder hoch. Fast gleichzeitig sind auch die Leute vom Paß wieder da. Das Wetter verschlechtert sich - es fängt an zu schneien.

Freitag, der 13.8.99

In der Nacht sind 20 cm Schnee gefallen - und es ist relativ warm. Wir frühstücken und gratulieren Tovo und Axel zum Geburtstag. Da es immer noch schneit und neblig ist wird erst mal abgewartet. Michaela und Thomas haben das wohl nicht so richtig mitbekommen. Sie bauen ihr Zelt ab und ziehen schon mal los - wir würden schon nachkommen. Nach eineinhalb Stunden tun wir das auch, wobei weiterhin Nebel herrscht. Über Geröll und Moränen geht es auf einen Gletscher und dann zum Depot unterm Paß, der aber nur zeitweise zu erahnen ist. Michaela und Thomas fehlen aber! Wenig später kommen unsere kasachischen Begleiter aus dem Nebel. Nach einer kurzen Beratung werden zwei Suchtrupps losgeschickt: Wolodja und Kolja sowie Heimo und Tovo. Wir restlichen steigen schon mal zum Paß hoch um Material und Rucksäcke dort zu lassen. Der Kokbulak-Paß (4039 m) erweist sich als weitläufige Senke. Unten kocht Shenja Tee. Als wir wieder dort sind, ist von den Suchtrupps noch nichts zu sehen. Irgendwann taucht Wolodja auf und berichtet, daß die beiden gefunden worden sind und in einer Viertelstunde kommen werden. Als wieder alle auf dem Haufen und von Shenja gestärkt worden sind, steigen wir zum Paß auf und auf der anderen Seite wieder runter. Hier ist die Sicht wesentlich besser als nördlich vom Paß.

Wir steuern einen Lagerplatz in etwa 3700 m Höhe an, wo wir gegen 1900h ankommen. Kolja hatte beim Abstieg vom Paß zwar aufgepaßt, sich aber verzählt: Es fehlt schon wieder einer: Gunther! Wolodja rennt noch mal los und findet ihn an einem anderen Lagerplatz an einem See. Er war mit seinem schweren Rucksack zurückgeblieben und dann zu dem See gegangen, den er schon von einer früheren Tour zum Pik Talgar kannte. Aber unsere Führer kannten einen anderen Platz. Als Wolodja mit einem Rucksack erscheint, wissen wir, daß er Gunther gefunden hat. In der Nacht schneit es mal wieder.

14.8.99

Eigentlich war der gestrige und der heutige Tag für die Besteigung des Pik Talgar (5013 m, höchste Erhebung des Transili Alatau) vorgesehen. Da wir aber spät dran sind (ein Tag Verzögerung zum Plan) und das Wetter nicht gut ist (Nebel und Neuschnee) wird darauf verzichtet. Statt dessen wollen wir vom Kokbulak-Paß aus einen Gipfel besteigen. Bei uns ist die Sicht gut, auch wenn es weiterhin stark bewölkt ist. Aber wir sehen auch nach drei Tagen mal wieder die Sonne, und etwas Wind verspricht Abtrocknung. Wir marschieren ohne Carol und Robert (die "Trekkinggruppe") los. Am Paß beginnt eine Geröll- und Firnflanke, die man entweder nur im Firn oder gemischt angehen kann (30° - 40°). Nach insgesamt drei Stunden erreichen wir den plateauartigen Gipfel. Heimo und Michaela gehen noch ein Stück weiter. Wir sind hier 4320 m hoch, die Sonne scheint, und es ist windstill. Nach einer Stunde Gipfelrast kehren wir ins Lager zurück. Jetzt verschlechtert sich das Wetter. Es fängt an zu schneien, wobei es im Gegensatz zu gestern ziemlich kalt ist. Aber immerhin ist mein seit zwei Tagen nasses Baumwollhemd fast trocken, und auch der Schlafsack konnte etwas Feuchtigkeit loswerden. Nachts gibt es wieder Schnee.

15.8.99

Der Schneefall hat aufgehört, und der Luftdruck ist gestiegen. Das Ergebnis ist ein phantastischer Morgen mit Sonne und frisch verschneiten Bergen. Gunther hat heute morgen -6°C gemessen, als er rausgegangen ist, um den Talgar zu fotografieren. Wir stehen wie üblich relativ spät auf (ca. 1000h) auf, frühstücken und feiern Thomas' Geburtstag. Dann packen wir langsam zusammen und gehen mit Wolodja als Pfadfinder los. Wir steigen von unserer Seitenmoräne schräg zum Gletscher ab und queren diesen. Die Wasserläufe zwischen Schutt und Eis machen die Sache etwas spannend. Es kommen aber alle trocken rüber. Dann geht es das Tal entlang des Südlichen Issyk weiter flußabwärts, wobei die Qualität des Weges zwischen gutem Wanderweg und Blockfeldern wechselt. Unterwegs, aber schon wieder im Bereich der Bergwiesen, gibt es Picknick mit belegten Broten und Tee. Kurz vor dem Zusammenfluß mit dem Südwestlichen Talgar (-Fluß) bauen wir unsere Zelte auf. Heute Abend ist etwas viel Wasser im Fluß, so daß wir diesen erst morgen früh versuchen werden zu durchqueren. Das Wetter war die ganze Zeit schön, und auf den Almwiesen blüht neben Enzian u.a. Edelweiß in rauhen Mengen.

Nur auf eine Besonderheit möchte ich hinweisen, welche für den Alpenwanderer von Bedeutung ist. Man sieht hier das Edelweiß in staunenswerter Menge wachsen: in den subalpinen Steppen, besonders in der Tekes-Ebene, wächst es streckenweise in solchen Mengen, daß auf Kilometer weit die Wiesen weiß gefärbt aussehen, ...


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